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Vita ~ 1
›De Jung schall man Schoster war´n, de Schoster hät immer wat to freten‹.
Mit dieser Prophezeiung meines Großvaters kam ich 1959 auf der Insel Föhr zur Welt. Der Schritt ins Handwerk folgte aber erst nach dem Abitur und Zivildienst, dann allerdings mit aller Konsequenz:
Es war schon damals ein sehr ungewöhnliches Anliegen, sich in der Kunst des Maßschuhbaus ausbilden zu lassen. Dann aber an den in Deutschland Letzten seiner Zunft, einen wahren Meister des Metiers zu geraten, war unglaubliches Glück - auch und gerade, weil der gebürtige Ungar Harai enorm hohe Anforderungen an seine Auszubildenden stellte. Das bedeutete, die Grundlagen und Finessen des ungarischen Schuhbaus wirklich von der Pike auf zu lernen - und zu beherrschen.
Nach dreijähriger Lehre, einem Gesellenjahr und einem handfesten Streit mit dem alten Harai beschloss ich, bei John Lobb in London um Arbeit nachzufragen. Und es war wie ein Traum, der sich zu erfüllen begann: Ich sollte mir sofort einen ›Workshop‹ einrichten und sobald wie möglich die Arbeit aufnehmen, riet mir der Großmeister. -
Vita ~ 2
So startete ich im Januar 1986 das Abenteuer London. Mit der ersten eigenen Grundausstattung, für 50 Mark aus dem Nachlaß eines Föhrer Schusters erworben, ging's mit Sack und Pack und zwei kleinen Kindern nach London. Das Wagnis der Selbständigkeit begann für meine Frau Magrit und mich somit gleich bei der internationalen Top-Adresse: John Lobb. Bei jener Firma, die seit 1863 das Siegel des Hoflieferanten führen darf und bis heute Schuhmacher nicht allein der Queen, sondern auch des Herzogs von Edinburgh und des Prinzen von Wales ist.
Bei Lobb erhielt ich ein dreimonatiges Training; dabei durfte ich einem sogenannten ›Don‹ über die Schulter schauen und mich in die Geheimnisse des englischen Schuhbaus einführen lassen. Durch die Fülle und Verschiedenartigkeit der Arbeiten konnte ich sehr schnell mein Können vertiefen und perfektionieren.
Als ›freelancer‹ stand es mir frei, auch für andere Schuhmachereien tätig zu werden. So gelang es mir, Aufträge von Foster & Son, New & Lingwood, Alan McAfee und George Cleverly zu gewinnen. Darüber hinaus schaffte ich es, Aufträge von dem in München ansässigen Schuhhaus ›Eduard Meier‹ zu erhalten. -
Vita ~ 3
Entsprechend vielseitig waren die Aufträge und Anforderungen, vom edlen Business-Modell bis zum robusten Golfschuh, vom klassischen Oxford oder Fullbrogue bis hin zum sportlich-bequemen Wanderstiefel. Aber auch schlichte Sandalen aus farbigem Schlangenleder für einen saudischen Prinzen gehörten dazu.
Mehr sollte ein Schuhmacher aber über seine Kunden auf keinen Fall preisgeben, denn absolute Diskretion ist nicht nur in London oberstes Gebot und gehört genauso zum Rüstzeug wie Spannriemen und Ahle.
Es waren abwechslungsreiche und sehr lehrreiche Jahre, man könnte sie in bester Handwerkstradition als ›Wanderjahre‹ bezeichnen. 1988 stieg meine Frau Magrit mit in die Arbeit ein, und so wandelte sich mein Unternehmen in einen Familienbetrieb, in dem von da an alle Komponenten des Schuhbaus unter einem Dach vereint wurden.
Doch 1989 schien mir der Zeitpunkt erreicht, mich mit unserer kleinen Firma wieder in der Heimat niederzulassen. -
Vita ~ 4
1990 übernahmen wir das frühere Spritzenhaus auf Gut Basthorst im Herzogtum Lauenburg um dort unseren Betrieb anzusiedeln. Auf dem Gut von Enno Freiherr von Ruffin konnten wir 17 Jahre lang auf wunderbare Art und Weise wohnen und arbeiten miteinander in Einklang bringen und unser Unternehmen stetig fortentwickeln.
1997 legte meine Frau die Meisterprüfung im Schuhmacherhandwerk mit der Note ›sehr gut‹ ab und machte aus ›Klemann Shoes‹ einen anerkannten Meisterbetrieb mit Brief und Siegel.
Im Jahr 2000 begann unser ältester Sohn Lennert die Ausbildung zum Schuhmacher in unserem Betrieb, die er im Jahr 2003 zunächst als erster Landessieger und im gleichen Jahr als erster Bundessieger im Leistungswettbewerb der deutschen Handwerksjugend abschloss. In den folgenden Jahren vertiefte er sein Können zunächst im heimischen Betrieb, um dann in London die Selbständigkeit zu wagen.
Dort arbeitete Lennert für verschiedene Maßschuhmacher als Freelancer, unter anderem fertigte er für Taylor & Son in Paddington Street und für Georg Cleverly in der Royal Arcade Maßschuhe in klassischer englischer Machart an. 2007 kehrte Lennert in den elterlichen Betrieb, der in der Zwischenzeit nach Hamburg umgezogen war, zurück. Heute fertigt er als freischaffender Unternehmer seine eigene Sportschuhline und fertigt für Klemann Shoes und Cleverly´s in London Maßschuhe in typisch englischem Stil an.
Im Jahr 2003 entschloss sich auch Vincent Klemann in unsere Fußstapfen zu treten, er absolvierte seine Ausbildung ebenfalls im elterlichen Betrieb und schloß genau wie sein Bruder als Landesbester in Schleswig-Holstein und als erster Bundessieger im Leistungswettbewerb der deutschen Handwerksjugend 2006 ab.
In der Folgezeit vertiefte er zunächst seine Fertigkeiten, um dann im Jahr 2011 seine Meisterprüfung im Schuhmacherhandwerk mit der Note ›sehr gut‹ abzulegen. Seit diesem Jahr ist Vincent wie sein Bruder selbständiger Schuhmachermeister und bedient eigene Maßkunden im Sneakers- und Freizeitschuhbereich und fertigt für Klemann Shoes Maßschuhe in traditioneller handwerklicher Herstellungsweise.
All dies, der Umzug der Werkstatt in die eigenen vier Wände nach Hamburg und die nun mehr 25jährige, ganz eigene Firmentradition, machen meine Frau und mich sehr zufrieden und dankbar.